Meine fast 30 Jahre mit Linux

Verpasste Dramaturgie: Gestern habe ich mir nach langer Zeit auf meinem Notebook Linux installiert. Dass der 30. Geburtstag — besser: einer der Geburtstage — des freien Betriebssystems heute gefeiert wird, hatte ich zwar schon irgendwann gelesen, aber völlig aus den Augen verloren.

Linux-Steinzeit

Dabei ist meine Geschichte mit Linux schon wirklich alt, nämlich 29 Jahre. Als junger Informatikstudent hatte ich mir in der Uni — wirkliches Internet gab es für Privatleute kaum — ein Image eines ebenso jungen Betriebssystems heruntergeladen, über das ich im Usenet las. Ein freier Unix-Klon, hieß es. Die Version 0.98.x kopierte ich mir auf eine Diskette, auf der es mit gut 300 Kilobyte etwa die Hälfte des Speicherplatzes belegte. Daheim installierte ich meinen 386er-PC mit diesem Linux — und war recht angetan. Einiges von dem, was man an der Uni auf den großen Servern tun konnte, ging auch damit. Aber viel mehr als der Kernel und ein paar Entwicklerwerkzeuge war Linux noch nicht. Nach ein wenig Rumspielerei installierte ich wieder MS-DOS — ich war nicht so der Betriebssystem-Hacker und hier auch kein Visionär, die historische Bedeutung der frühen Linux-Versionen erschloss sich mir damals nicht.

8-Bit-Blumen vom Linux-Maskottchen Tux zum 30. Geburtstag des freien Betriebssystems
8-Bit-Blumen vom Linux-Maskottchen Tux zum 30. Geburtstag des freien Betriebssystems. CC-BY herrthees

Pragmatischer Mischbetrieb

Es folgte eine längere Pause zwischen Linux und mir. Erst Mitte der 90er-Jahre landete mit der ersten Ausgabe des S.u.S.E.-Linux das freie Betriebssystem wieder auf einem meiner Rechner. Bei der Wahl der Distribution war bestimmt auch fränkische Verbundenheit im Spiel. Der Linux-Rechner diente mir als freiberuflicher Webdesigner (heute würde man dazu wohl eher Webentwickler sagen) als ein Zwitter aus Webserver und zweitem Arbeitsrechner — diesmal schon mit schickerer grafischer Oberfläche. Als lokaler Webserver diente mir der S.u.S.E.-Rechner lange, als produktiver Arbeitsrechner nicht so lange. Die Oberfläche gefiel mir nicht und lief nicht sehr stabil, die grafische Bedienung war nicht sehr geschmeidig. Unter Windows gab es meiner Meinung nach auch oft die bessere Software. Oder zumindest manchmal.

So richtig los kam ich von Linux seit dem nicht mehr. Als Windows-Ersatz bei meinen privaten Rechnern war es zwar nie länger in Einsatz — abgesehen von vielleicht einem Jahr, als die Ubuntu-Distribution herauskam. Aber auf Servern wurde Linux seit Ende der 90er fast allgegenwärtig. Und da stieß ich beruflich und auch privat immer wieder mit dem Betriebssystem zusammen. Ich bin weit weg davon, Linux-Server ernsthaft administrieren zu können, aber mit Hilfe der Community — die fester Bestandteil der Linux-Erfolgsgeschichte ist — konnte ich doch viele Projekte gut genug zu Laufen bringen (so wie aktuell den wue.social-Server). Mit Schrecken denke ich an meinen ersten Job Ende der 90er bei einem Internet-Service-Provider und Hoster zurück. Da liefen die Webseiten auf Microsofts Internet Information Server (IIS) und damit unter Windows. Unflexibel, unpraktisch, unperformant, instabil, das Gegenteil eines Linux-Servers.

Fast frisch installiert: Screenshot meines Notebook unter Fedora 34.

Und nun läuft nach rund 15 Jahr mal wieder Linux auf meinem Alltags-Notebook, mit dem ich im Netz surfe, Mails lese und schreibe, programmiere, blogge, Podcasts mache, zeichne, schreibe, Fotos bearbeite und einfach kreativ bin. Für mich ist das schon ein wenig Neuland, da ich Linux abseits einer Server-Konsole schon lange nicht mehr kenne.
Einen Windows-Rechner gibt es zwar noch, aber der kleine Tower steht nur als Arbeitstier unter dem Schreibtisch, ich greife auf ihn meist über den Linux-Rechner zu, Remote Desktop Protocol sei Dank. Und ein paar wenige Programme, für die ich noch keinen guten Ersatz unter Linux gefunden habe, laufen da noch. Mal sehen, wie lange.

Eine Welt ohne Linux?

Neulich stellte im Biergarten ein Freund die Frage, was denn die wichtigsten Errungenschaften in der IT in den vergangenen Jahrzehnten waren, die alles auf den Kopf stellten. Begriffe wie Smartphone und Künstliche Intelligenz fielen da bei allen, aber nur ich nannte Linux. Bei den anderen gab es da ein gewisses Unverständnis.

Dabei wäre eine IT-Welt ohne Linux eine ganz andere und auch keine bessere. Ein robustes, flexibles und vor allem freies Betriebssystem — das mittlerweile die meisten Webserver betreibt, auf Smartphones, Supercomputern und in Autos läuft und dazu noch frei verwendet und weiterentwickelt werden darf — hat die Welt gebraucht und es hat eine Menge weiterer Entwicklungen angestoßen und erst möglich gemacht.

echo „Alles Gute zum Geburtstag“

Und dafür darf man dem Betriebssystem, Linus Torvalds und vor allem der weltweiten Linux-Community zum 30. Geburtstag mal danken. Und ich muss mal schauen, ob ich vielleicht sogar noch diese meine erste Linux-Diskette irgendwo in einer Kiste wieder finde.

3 Gedanken zu „Meine fast 30 Jahre mit Linux“

  1. Bin ja großer Windows-Freund, obwohl ich seit Jahrzehnten auch mit Linux zu tun habe und es liebe, nur eben nicht als Desktop. Hatte oft Cygwin als Ergänzung in Windows laufen, so richtig rund war das aber nie. Mehr als happy bin ich jetzt mit dem „Windows-Subsystem für Linux“ in Zusammenarbeit mit dem „Windows Terminal“. Da hat Microsoft sehr viel richtig gemacht.

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