Eine Alternative bieten: Baden-Württemberg bei Mastodon

Die Zahl der Nutzer von unabhängigen, dezentralen Sozialen Medien wächst langsam, aber stetig. Knapp sechs Millionen registrierte Benutzer kommunizieren über Programme wie Friendica, Mastodon oder Pleroma miteinander. Neben oder immer öfter anstatt zentralen und monopolistischen Diensten wie Facebook oder Twitter.

Die genaue Anzahl lässt sich nur schwer erheben, es gibt keine „Meldepflicht“ für die Teilnehmer der freien Netzwerke. Einzelne als Instanzen bezeichnete und meist ehrenamtlich betriebene Server stellen die technische Infrastruktur dar. Ein föderiertes Informationssystem also, ein Zusammenschluss von Servern über bestimmte Protokolle, jeder einzelne ist aber unabhängig. Ähnlich also dem Ländersystem der Bundesrepublik Deutschland.

Für das Bundesland Baden-Württemburg wurde nun allem Anschein nach eine kritische Grenze in der Nutzung des sogenannten „Fediversums“ — föderiertes Universum — überschritten. Am 31. Januar 2020 meldete auf der Mastodon-Instanz mastodon.social der Nutzer @regierungBW: „Hallo #Mastodon! Wir sind jetzt auch hier.“

Nur — so einen Account, auch mit einem netten Bild der Landesregierung im Profil, kann jede und jeder erstellen. Ist nun wirklich das erste Bundesland im Fediversum angekommen? Gehört @RegierungBW@mastodon.social dem Land Baden-Württemberg? Eine Überprüfung des Accounts gibt es in dem Sinne im freien Netzt ja nicht.

Das Profil des Mastodon-Accounts der baden-württembergischen Staatsregierung. Screenshot: mastodon.social (ebenfalls das Headerbild)

Dieser Account wird tatsächlich von uns betreut“, schreibt Jana Höffner, Leiterin der Online-Kommunikation der baden-württembergischen Staatsregierung, auf Anfrage. Der Mastodon-Account sei ein offizieller Kanal der Landesregierung, der parallel zum Landesportal baden-wuerttemberg.de und den anderen Social Media-Kanälen bespielen wird.

„Wir bieten damit eine Alternative für Menschen, die nicht in den etablierten sozialen Netzwerken wie Twitter unterwegs sind“, erklärt Höffner das Engagement der Bundeslandes.

Der Datenschutzproblematik bei Facebook & Co bewusst

Kritik am Datenschutz bei Plattformen wie Twitter oder Facebook, die beispielsweise einige Nutzer zu den freien Netzwerken wechseln ließ, spielte dabei für sie nur eine untergeordnete Rolle. „Wir sind uns der Datenschutzproblematik auf Kanälen wie Twitter und Facebook bewusst“, erklärt Höffner. „Wir können in unserer Öffentlichkeitsarbeit aber nicht auf diese Kanäle verzichten, da viele Menschen eben nur noch über diese Netzwerke zu erreichen sind. Wir sind da, weil die Bürgerinnen und Bürger da sind. Aber niemand ist dort, weil wir es sind.“

Die baden-württembergischen Staatsregierung weise auf ihren Kanälen und in den Datenschutz-Informationen darauf hin und gebe Tipps zum Umgang damit. „Für unsere eigenen Angebote gilt die Devise: Datensparsamkeit! Zudem haben wir aktive Elemente nur mit einer Zwei-Klick-Lösung eingebunden. Die Einwilligung erlischt bei uns bereits mit dem Reload der Seite“, so die Leiterin des Referats Online-Kommunikation.

Mastodon ist aus unserer Sicht derzeit die erfolgreichste Alternative zu den großen Playern aus den USA.

Jana Höffner, Leiterin des Referats „Online-Kommunikation, Internet“ des Staatsministeriums Baden-Württemberg

Wo und wie sich die Landesregierung in den sozialen Medien aktiv engagiert, überlegt sie sich gut. Das Online-Referat schaue sich permanent die Entwicklungen an und überlege sorgfältig, ob neue Kanäle bespielt werden sollen und können. „So haben wir uns gegen Accounts bei Snapchat oder TikTok entschieden. Mastodon ist aus unserer Sicht derzeit die erfolgreichste Alternative zu den großen Playern aus den USA. Daher haben wir uns entschlossen, auch künftig diesen Kanal zu bespielen“, schreibt Höffner.

Die großen Netzwerke nicht verlassen

Wenn denn Mastodon so toll ist, warum dann noch bei Facebook oder Twitter beiben? Gibt es aktuell Überlegungen seitens der Regierung von Baden-Württemberg, zentrale Social-Media-Dienste wie Facebook oder Twitter zu verlassen?

„Nein, derzeit gibt es keine Überlegungen dahin. Wir haben einen Auftrag von der Verfassung, über unsere Arbeit zu informieren und das machen wir mit zeitgemäßen Mitteln“, so Jana Höffner. So lange Facebook und Twitter eine signifikante Nutzerzahl hätten, wolle man auch dort präsent sein. „Netzwerke wie Mastodon sind derzeit leider nur eine Ergänzung und keine Alternative“, bedauert Höffner.

Ausgewählte Informationen und Dialog im Fediversum

Selbstbeschreibung des Accounts @RegierungBW. Kanalgerecht mit dem Verb „tootet“ statt „twittert“.

Der Kanal im Fediversum werde von der baden-württembergischen Regierung behandelt wie jeder andere Kanal auch. Dort sollen Interessierte jede relevante Information finden, wie auf beispielsweise auf Twitter oder Facebook auch. Zentrale Plattform bleibe aber nach wie vor die Webseite des Bundeslands Baden-Württemberg, dort seien weitaus mehr Informationen zu finden als in den ausgewählten Nachrichten in den sozialen Netzwerken. Diese seien auch dafür da, mit Nutzerinnen und Nutzern in den Dialog zu treten. „Das ist auch Teil der Politik des Gehörtwerdens“, so Jana Höffner.

„Das gilt natürlich auch für Mastodon, wo wir Feedback entgegennehmen und auf Fragen — wenn möglich — qualifiziert antworten.“ Eine Einbindung des Mastodon-Kanals in Landes-Webseite — Icons, Verifizierungslink, Embed-Möglichkeiten — werde derzeit von der von der Landregierung beauftragten Agentur umgesetzt und bald ausgespielt.

Keine eigene Instanz im Fediversum geplant

Dass andere offizielle Stellen der Landesregierung im Fediversum Präsenz zeigen will, ist Höffner aktuell nicht bekannt. Der unabhängige Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Stefan Brink, habe aber angekündigt, ebenfalls auf Mastodon präsent sein zu wollen.

Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Ulrich Kelber ist seit 2019 „auf Mastodon“. Foto: Sven Teschke / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de

Das könnte dessen Kollegen auf Bundesebene, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Ulrich Kelber, vielleicht freuen. Der ist bereits seit Anfang 2019 im Fediversum vertreten und hat bereits über 2000 Abonnenten.

Der Schritt, als Bundesland eine eigene Mastodon- oder Friendica- Instanz in den freien sozialen Netzwerken anzubieten, geht Jana Höffner im Moment aber zu weit. Sie seien der Ansicht, „dass solche Instanzen nicht in staatlicher Hand sein sollten“. Im Staatsministerium habe man außerdem aktuell weder das Know-how noch die personellen Ressourcen eine solche Instanz anzubieten und zu betreiben.

Reaktionen im Fediversum: crossgolf_rebel@chaos.social freut sich über die Initiative Baden-Württembergs, ihm stößt aber auch so einiges auf.


Der Autor ist ebenfalls im Fediversum zu finden, auf seiner eigenen Friendica-Instanz unter wuewuewue.de/profile/herrthees


Schreibe einen Kommentar